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Mehr Wasser, mehr Dynamik – Herausforderungen für die Auenrevitalisierung (Teil 1)

Die Leipziger Auenlandschaft heute | Foto: Arne Weiß und Jan Bäss, 360bit.com
Die Leipziger Auenlandschaft heute | Foto: Arne Weiß und Jan Bäss, 360bit.com

Für ökologisch intakte Auenlandschaften sind regelmäßig wiederkehrende Hochwasserereignisse elementar. Auentypische Baumarten wie die Stiel-Eiche sowie Tierarten profitieren von Überschwemmungen. Baumarten, die Trockenheit gut aushalten, aber Nässe schlecht vertragen, wie zum Beispiel der sich zunehmend ausbreitende Ahorn, würden zurückgedrängt. Doch Auen sind oftmals von den Fließgewässern getrennt. Durch den fehlenden Anschluss an die Gewässer kann die Aue als wichtiger Retentionsraum nicht genutzt werden, der Städte und deren Bewohner vor Hochwasser schützen kann, und der Lebensraum für viele geschützte Tier- und Pflanzenarten der Aue ist stark bedroht. Die Forderung nach einer gesellschaftlichen Debatte über die nachhaltige Nutzung von Auen sowie einen zeitgemäßen Umgang mit dem Klimawandel und verbundenen Maßnahmen zum Schutz von Menschenleben knüpft zu Recht an das Hochwasserthema an.

Ein verregnetes Jahr – Warum bleibt die Aue in Leipzig trotzdem (zu) trocken

In den letzten Jahren waren die Niederschlagsmengen sehr gering und die Perioden mit hohen Temperaturen hielten lange an. Das führte zu einem nachhaltigen Austrocknen der Böden, niedrigen Wasserständen in den Flüssen und damit zum Absinken des Grundwassers. Dieses Jahr ist deutlich regenreicher. Also liegt die Frage nahe, ob diese Niederschläge die Wassersituation der Elster-Luppe-Aue verbessern. Leider erreicht der Niederschlag nur die oberen Bodenschichten, wie der Dürremonitor des UFZ veranschaulicht.  

Wenn Dynamik für die Auen so wichtig ist, warum wird die Elster-Luppe-Aue dann nur bei extremen Hochwasserereignissen überflutet?  

Ein Grund liegt darin, dass sich die Leipziger Elster-Luppe-Aue quasi durch die Stadt Leipzig zieht und deshalb Maßnahmen für den Hochwasserschutz durchgeführt werden, die die Auenentwicklung stark beeinflussen. Die Hochwasserschutzmaßnahmen wie Dämme sowie Flussbegradigungen, vor allem aus dem 20. Jahrhundert, sollen das Wasser im Hochwasserfall schnell aus der Stadt leiten. Die Dämme befinden sich meist gleich unmittelbar an den Gewässern und verhindern so, dass die Aue mit Wasser versorgt wird. Nur bei sehr hohen Wasserständen wird das Nahleauslassbauwerk geöffnet und die dahinter liegende Aue zur Gefahrenabwehr als Polder, d.h. Hochwasserrückhalte-Raum im technischen Sinne, genutzt.  

Heute werden die Weiße Elster, Pleiße, Parthe, die Neue Luppe sowie weitere kleinere Fließgewässer im sogenannten Gewässerknoten Leipzig – mit dem Elsterbecken als Zentrum – über mehrere Wehre gesteuert. Im Elsterbecken setzen sich die in den Flüssen mitgeführten Sedimente wegen der geringeren Fließgeschwindigkeit ab. Am Ende des Beckens, d. h. an der Aufteilung in Nahle, Neue Luppe und Weiße Elster wird das Wasser in den engeren Flussbetten wieder schneller und ohne mitgeführte Sedimente entsteht ein sogenannter „Sedimenthunger“. Das führt zu einem kontinuierlichen Vertiefen vor allem der Neuen Luppe in das Geländerelief. Durch die damit einhergehende Sohlerosion wirkt das Gewässersystem daher an vielen Stellen in der Aue wie eine Drainage.

Im Ergebnis liegt die Wasseroberfläche der Fließgewässer heute tiefer als früher und tiefer als die Umgebung. Selbst bei Wasserspiegellagen über Mittelwasser wird die Aue auch ohne Deiche nicht mehr erreicht und nur noch bei extremen Hochwassern überfluten die Fließgewässer über das Nahleauslassbauwerk die Aue. Das haben wir zuletzt 2013 erlebt.  

Die Elster-Luppe-Aue hat ihre natürliche Dynamik also verloren. Es ist zu erwarten, dass sie in zunehmendem Maße Extremwettereignissen, wie sie der Klimawandel mit sich bringen wird, ausgesetzt sein wird. Wie wir gerade in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sehen, kann es plötzlich zu Starkregen mit dramatischen Folgen kommen. Andererseits müssen Mensch und Natur mit ausgedehnten Trockenperioden kämpfen. Ökologisch intakte Auen können den Anforderungen am ehesten begegnen, sie sind gegenüber diesem Wechsel zwischen Trocken und Nass resilient, d. h. sie kehren nach einer Störung wieder in ihren Ausgangszustand zurück.

Mögliche Schritte zur Revitalisierung der Elster-Luppe-Aue  

Grundsätzlich müssen der Schutz und Erhalt der Auenlandschaft mit den verschiedenen Nutzungen der Auen durch den Menschen – beispielsweise Hochwasserschutz, Siedlung, Deponien, Landwirtschaft und Erholung – in Einklang gebracht werden. Wir wollen einige Beispiele für solche Restriktionen zeigen:  

Die Notwendigkeit des Hochwasserschutzes steht außer Frage. Aber es geht um die Abwägung zwischen technischem und ökologischem Hochwasserschutz. Das heißt zum Beispiel, die Steuerung des Gewässerknotens sollte überdacht werden. Ziel ist es, wann immer es das Wasserdargebot der Flüsse erlaubt und Mensch und Stadt nicht in Gefahr gebracht werden, Überflutungen in den Retentionsräumen und Gewässerrinnen der Aue zu ermöglichen. Mit dem Status Quo werden nicht nur Siedlungen geschützt, sondern auch die Aue von ihren Gewässern getrennt. Wo die städtische Bebauung außerhalb des natürlichen Überschwemmungsgebietes liegt, könnten z. B. Deiche geschlitzt werden und Wasser in den Auwald gelangen.  

Bei der Verbesserung der hydrologischen Situation der Aue, beispielsweise durch das Anheben von Gewässersohlen, muss die Siedlungsentwässerung einer wachsenden Stadt berücksichtigt werden. Eine dauerhafte Sohlanhebung dieser Gewässer zur Bewässerung der Aue ist ohne einen weitgehenden Umbau des Siedlungsentwässerungssystems nicht nur schwierig, sie könnte auch dazu führen, dass die Mischwasserentlastungen eingestaut werden und damit das Wasser nicht mehr aus dem bebauten Bereich abfließen kann. Eine andere Lösung ist es, die Nahle oder Neue Luppe temporär aufzustauen und dann Wasser in die Aue zu leiten. Ein kurzzeitiger Einstau ist ohne große Beeinträchtigung anderer Funktionen der Gewässer möglich. Eine natürliche Auendynamik, also Schwankungen im Oberflächenwasser und im Grundwasserstand, wird mit dem Anstauen der Fließgewässer jedoch nicht hergestellt.  

Seitdem große Teile der Aue nicht mehr direkt überschwemmt werden, können die nährstoffreichen Böden durch die Landwirtschaft genutzt werden. Das Auenmosaik aus Wald, Wasser und Offenland war jedoch auch jeher von der damals noch per se extensiven Landwirtschaft geprägt. Im Rahmen einer Auenrevitalisierung kollidieren regelmäßige Überflutungen mit einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung (Ackerbau). Eine extensivere Landwirtschaft wie Weidelandnutzung ist besser mit den Zielen der Auenrevitalisierung zu vereinbaren. Ein adäquates Instrument zur Umgestaltung der Landwirtschaft darf dabei nicht fehlen.  

Auch unsere Freizeitnutzung dieses grünen Rückgrats der Stadt muss sich regelmäßigen Überflutungen im Zuge einer Revitalisierung der Elster-Luppe-Aue anpassen. Hochwasser kann bedeuten, dass der Mensch die Elster-Luppe-Aue bzw. Teile davon kurzzeitig nicht nutzen kann, wenn auentypische Prozesse gewährleistet werden sollen. Wald- und Reitwege wären bei solchen Ereignissen nur eingeschränkt begehbar.  

Die vielfältigen Funktionen einer multifunktionalen Auenlandschaft – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sprechen auch von Ökosystemleistungen, wie sie im Projekt Lebendige Luppe in Bildungsmaterialien vorgestellt werden – müssen also mit dem Schutz und dem Erhalt der Auenlandschaft in Einklang gebracht werden. Wir werden in mehreren Beiträgen das Thema vertiefen und nehmen auch gern konkrete Fragen dazu auf!

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